Richard Hönigswald: Biografische Notizen Teil 1 (1875 – 1919)
1902 wird Richard Hönigswald in Wien zum Doktor der Medizin promoviert, 1904 in Halle zum Doktor der Philosophie. Obwohl er bereits zwei Jahre später an der Universität Breslau die venia legendi für Philosophie erhält, muss Richard Hönigswald eine lange Durststrecke durchmachen, bevor er 1919 schließlich in Breslau zum ordentlichen Professor der Philosophie ernannt wird.
18.07.1875 | Richard Hönigswald wird in Ungarisch-Altenburg (Mosonmagyaróvár) geboren. |
11.06.1892 | Nachdem er zunächst das Piaristen-Gymnasium seiner Heimatstadt besucht, wechselt Hönigswald in die Oberklassen des humanistischen Benediktiner-Gymnasiums in Raab (Györ) und besteht die Reifeprüfung mit Auszeichnung. |
WS 1892/93 | Richard Hönigswald nimmt das Medizinstudium an der Universität Wien auf. Dabei belegt er, wo immer er kann, Vorlesungen bei den Physiologen, die in der Tradition der berühmten Wiener Schule stehen. Sie prägen seinen Blick auf den menschlichen Organismus und legen, wenn man sorgfältig liest, auch den Grundstein für seine spätere erkenntnistheoretischen Position. |
1899 | Nach acht Semestern unterbricht Richard Hönigswald sein Studium in Wien. (Über die Gründe hierfür ist offiziell nichts bekannt.) Doch er nutzt die Zeit in der Heimat und verfasst zwei kleinere Schriften, die sich mit methodologischen Fragen der Naturwissenschaft beschäftigen – und letztlich auch die erkenntnistheoretischen Grundlagen der Medizin hinterfragen, wie er sie in Wien kennen gelernt hat. |
22.03.1902 | Richard Hönigwald wird in Wien zum Doktor der Medizin promoviert („Dissertatio eruditionis et recuminis specimen valde laudabile“), nachdem er im Herbst 1900 an die Hochschule zurückgekehrt war und noch zwei weitere Semester dort studiert hatte. Seine alma mater verleiht ihm das „Diplom eines Doktors der gesamten Heilkunde“. |
1902 | Der frisch gebackene Doktor heiratet Hildegarda Goldberg, eine entfernte Verwandte. Diese Ehe wird später geschieden. |
06.05.1902 | Richard Hönigswald schreibt sich an der Königlich Preussischen vereinten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg ein. Dort belegt er im Rahmen seines Promotionsstudiums auch Vorlesungen in Physik und Biologie. Philosophie studiert er bei seinem Doktorvater, Alois Riehl. Daneben veröffentlicht er kleine Studien, in denen er sich mit der erkenntnistheoretischen Position Ernst Machs– eines weiteren Wieners – auseinandersetzt. Außerdem entwickelt sich eine freundschaftliche Beziehung zu Fritz Medicus. Sie wird über vierzig Jahre lang halten und sich später unter widrigsten Umständen bewähren. |
WS 1902/03 | An der Universität Graz belegt der junge Gelehrte als außerordentlicher Gasthörer Vorlesungen bei dem Denkpsychologen Alexius Meinong. Im Wintersemester 1904/05 wird er noch einmal zurückkehren. |
28.07.1904 | „Magna cum laude“ wird Richard Hönigswald zum Doktor der Philosophie an der Universität Halle-Wittenberg promoviert. |
07.11.1904 | Gemeinsam mit seiner Frau Hildegarda lässt sich der Philosoph auf den evangelisch-reformierten Glauben taufen. In dieser Zeit arbeitet er bereits an seiner Habilitationsschrift über David Hume. Auch in diese erkenntnistheoretische Abhandlung fließt viel von dem ein, was er während seines Medizinstudiums in Wien gelernt hat. |
Mitte 1905 | Der Philosoph reicht seine „Beitraege zur Erkenntnistheorie und Methodenlehre“ als Habilitationsschrift ein. Zunächst beschließt die Fakultät, „den Herrn Dr. Hönigswald zu ersuchen, sein Gesuch zurückzuziehen“. Schließlich wird dieser Passus aus dem Protokoll der Sitzung der Habilitationskommission vom 14. November gestrichen und die Arbeit am 7. März 1906 an den Autor zurückgegeben, der sie bereits nach kurzer Zeit erneut vorlegt. Am 6. Juli 1906 wird er zum weiteren Habilitationsverfahren zugelassen. |
16.07.1906 | An der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau hält Richard Hönigswald seinen Habilitationsvortrag „Über die philosophische Methode Descartes“. |
22.10.1906 | Der Gelehrte habilitiert sich an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau. Die Thesen, die er zur Disputation einreicht, hinterfragen die erkenntnistheoretischen Grundlagen der aufkommenden Naturwissenschaften. Als Opponenten der Disputation fungieren der Privatdozent Dr. phil. William Stern sowie der Assistenzarzt Dr. med. Franz Kramer. Richard Hönigswald wird die venia legendi für das Fach Philosophie verliehen. Seine Antrittsvorlesung überschreibt der Philosoph: „Vom allgemeinen System der Wissenschaften“. |
30.08.1906 | Hönigswald übersiedelt nach Breslau. Dort nimmt er am wissenschaftlich-gesellschaftlichen Leben der Stadt teil, wird beispielsweise Mitglied der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, in der er den Sektionen Medizin, Naturwissenschaft und Philosophie-Psychologie angehört. |
WS1906/07 | Eine Zeit reger Vorlesungs- und Publikationstätigkeit beginnt. Zentrale Themen der nächsten Jahren sind – ganz im Sinne Kants – immer wieder die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis, nach den Grundzügen der Logik und Methodenlehre sowie die Auseinandersetzung mit großen Philosophen der Vergangenheit insbesondere dort, wo diese sich mit methodologischen Problemen auseinandergesetzt haben. |
01.-05.09.1908 | Der Philosoph nimmt teil am „III. Internationalen Kongreß für Philosophie“ in Heidelberg. Er referiert dort „Über den Unterschied und die Beziehungen der logischen und der erkenntnistheoretischen Elemente in dem kritischen
Problem der Geometrie“.
Bei solchen Gelegenheiten schließt er persönliche Bekanntschaft mit Gelehrten wie Hans Driesch, der großen Anteil hat an der Entwicklung seiner erkenntnistheoretischen Positionen mit Blick auf Biologie und Medizin. Weitere Reisen zu Kongressen führen Richard Hönigswald u.a. nach Bologna (6. bis 11. April 1911). |
13.12.1909 | Der Vater, Heinrich Hönigswald, stirbt in Breslau. |
WS 1910/11 | Ein erster Schritt ist getan: Richard Hönigswald wird zum Titularprofessor der Universität Breslau ernannt. |
20.05.1911 | An der Universität Jena wird ein Nachfolger für Otto Liebmann gesucht. In der Terna der Philosophischen Fakultät nimmt Richard Hönigswald hinter Edmund Husserl, der „mit besonderem Nachdruck“ vorgeschlagen wird, und Bruno Bauch den dritten Listenplatz ein. |
12.02.1913 | Wie scharf der Wind ist, der Richard Hönigswald bei dem Versuch ins Gesicht bläst, einen Lehrstuhl zu bekommen, dokumentiert eine Erklärung, die Heinrich Rickert, Rudolf Eucken, Edmund Husserl, Paul Natorp, Alois Riehl und Wilhelm Windelband initiierten. Sie wendet sich gegen die Besetzung von Lehrstühlen für Philosophie mit Vertretern der experimentellen Psychologie. Und wo Lehrstühle umgewidmet werden, dort schwinden die Chancen. Vielleicht unterzeichnet der Gelehrte auch deshalb gemeinsam mit weiteren 106 Dozenten für Philosophie in Deutschland, Österreich und der Schweiz den Aufruf. |
20.04.1913 | Allerdings orientiert sich auch der Philosoph Richard Hönigswald breiter. So referiert er beispielsweise anlässlich der Generalversammlung der Kant-Gesellschaft in Halle über die „Prinzipienfragen der Denkpsychologie“. Er publiziert zu diesem Thema und entwickelt auch eine „Theorie pädagogischer Grundbegriffe“. |
21.09.1913 | Die Mutter Marie, geb. Goldberg stirbt in Breslau. |
25.05.1914 | Richard Hönigswald heiratet die Studentin Gertrud Grunwald, die am 14. September 1914 auf den evangelisch-reformierten Glauben getauft wird. |
16.10.1914 | Der Philosoph unterzeichnet mit anderen 3.016 Universitätslehrern die „Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches“, die Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf initiiert. Dieses Votum ist einer der seltenen Belege für politische Einlassungen des Denkers. |
19.01.1915 | Richard Hönigswald stellt, gemeinsam mit seiner Frau Gertrud, in Preußen einen Antrag auf Einbürgerung. Möglicherweise verbindet er damit auch die Hoffnung, seine Berufungschancen zu erhöhen. |
17.04.1915 | Der Sohn Heinrich Max (Henry) wird geboren. Am selben Tag wird Hönigswald zum Dienst ohne Waffe, als „ordinierter Arzt im Festungslazarett Breslau“ im Ersten Weltkrieg verpflichtet. Er hatte sich, wie viele Gelehrte, als Übersetzer und Dolmetscher gemeldet. Doch – wahrscheinlich aufgrund seiner Ausbildung in Wien – wird er mit der Leitung einer Nierenstation im Breslauer Feldlazarett betraut. Es lässt sich indes nicht mehr feststellen, ob Hönigswald dort tatsächlich praktizierte. |
10.06.1916 | Richard Hönigswald wird Nachfolger William Sterns an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Univeristät Breslau. Ihm wird das „Extraordinariat mit der Verpflichtung [übertragen], die Philosophie, insbesondere die Psychologie sowie Pädagogik in Vorlesungen und Übungen zu vertreten.“ Zugleich wird er „zum Mitdirektor der Philosophischen Seminars“ bestellt. |
01.03.1917 | In Göttingen soll der Nachfolger von Edmund Husserl berufen werden. Richard Hönigswald steht hinter Georg Misch und dem pari passu vorgeschlagenen Max Frischeisen-Köhler auf dem dritten Listenplatz. |
24. und 25.05.1917 | Richard Hönigswald nimmt teil an der „Pädagogischen Konferenz“ im Ministerium der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten. Er verfasst Gutachten zur Sexualpädagogik (ein Thema, das angesichts der Soldaten im Feld drängend ist) und äußert sich zur „Zur Theorie des Konzentrationsunterrichts“. |
02.07.1917 | Nicht zuletzt vor dem Hintergrund seiner Ausführungen zur Sexualpädagogik beantragt Richard Hönigswald die Approbation als Arzt. Sein Gesuch wird jedoch aufgrund fehlender praktischer ärztlicher Tätigkeit abgelehnt. |
1918 | Richard Hönigswald wird das Kriegsverdienstkreuz verliehen. |
Juni 1918 | Er tritt der Deutschen Vaterlandspartei bei. Er bleibt Mitglied „bis zur Auflösung der Partei“. |
09.12.1919 | Richard Hönigswald wird zum ordentlichen Professor der Philosophie der Universität Breslau ernannt. Dabei handelt es sich um ein persönliches Ordinariat, das vermutlich nicht zuletzt aus universitätspolitischen Gründen verliehen worden ist. |